Eulenfisch - Limburger Magazin für Religion und Bildung
Sebastian Meschenmoser: Haufen (2014), Öl auf Leinwand, 160 x 180 cm

"Kunst ist eine Parallelwelt."

Der Berliner Maler Sebastian Meschenmoser über das Verhältnis von Tier und Mensch

Die Frage stellte Thomas Menges

Ihr großformatiges Gemälde „Haufen“ provoziert eine spontane Frage: Mögen Sie Tiere mehr als Menschen?

Ich mag Tiere, aber eigentlich nicht wirklich mehr als Menschen. Wenn ich meine Bilder außenstehend betrachte, fällt mir allerdings auf, dass die unsympathischen und gruseligen Züge bei den Tieren tatsächlich von ihrer Vermenschlichung rühren. In meinen Bildern fällt es mir schwer, Position zu beziehen. Scheinbar gibt es einen Mensch-Tier-Konflikt: Wer angefangen hat, ist nicht mehr auszumachen, und wer im Recht oder Unrecht ist, auch nicht. Es geht um den Konflikt an sich ohne Wertung.

Ihre Bilder sind sorgfältig komponiert und farblich geradezu klassisch gemalt. Was veranlasst einen 35-jährigen Maler in Zeiten, in der die Städelschule die Malklasse abschafft, so zu malen? Verraten Sie Ihre Vorbilder?

Die Malerei ist in der Kunst schon so häufig für tot erklärt worden – und doch wieder auferstanden. In der Malerei selber ist die figurative Malerei immer wieder für tot erklärt worden – und hat dennoch immer wieder Generationen für sich begeistert. Die abstrakte Welle, die die Kunstwelt zurzeit durchlebt, mag ja erfrischen, aber neu ist sie nicht. Ich möchte mich nicht danach richten, was gerade gefragt oder in 10 Jahren modern ist. Ein Bild wird nicht automatisch zeitgenössisch, indem man Neonfarben benutzt. Jedes Thema fordert eine eigene Umsetzung.

Ich selber interessiere mich für Historienmalerei, besonders für das vermeintlich Dokumentarische, Erzählerische. In letzter Zeit habe ich mich viel mit Frederic Remington auseinandergesetzt. Er hat durch seine Malerei einen wunderbar romantischen, freilich auch völlig verklärten Blick auf den „wilden Westen“ und die Sezessionskriege erzeugt; mit der harten Wirklichkeit seiner Zeit hatte dies wenig zu tun. Dennoch erzeugt er Bilder, die sich in den Geist einbrennen und einen Wahrhaftigkeitsanspruch behaupten.

Die Natur schlägt zurück,
die sicheren Räume
existieren nicht mehr.

Sebastian Meschenmoser im Gespräch

Ich male leicht ironisierende, romantische Bilder, die an der Grenze zum Kitsch verlaufen. Sie erheben von vornherein gar keinen Anspruch, besonders zeitgenössisch oder politisch zu sein. Inwiefern zeitgenössische Kunst die Welt „verbessern“ oder „verändern“ kann, ist eine schwierige Frage und ein sehr hoher Anspruch. Der Blick auf die Welt kann eventuell verändert werden und selbst hier ist man vom Betrachter abhängig. Ein aufgeklärter, interessierter, intelligenter Rezipient wird von einem Kunstwerk mit starkem Zeitbezug kaum etwas überraschend Neues erfahren, dafür sind andere Medien geeigneter. Jemand, der sich für das Weltgeschehen überhaupt nicht interessiert, wird sich vermutlich auch keine zeitgenössische Kunst anschauen. Bilder, egal aus welcher Epoche und mit welcher Technik, berühren den Betrachter – oder eben nicht. Wir speichern Erinnerungen in Bildern und wir träumen in Bildern, insofern halte ich die bildnerische, figurative Darstellung, nach wie vor, für aktuell. Kunst ist eine Parallelwelt zur wirklichen Welt, durch welches Medium sie sich betreten lässt, kann kein Trend bestimmen.

Mit den Mitteln dieser Welt malen Sie eine „Anderswelt“, in der anthropomorph gekleidete Tiere wie Dachs, Fuchs und Hase über drei am Boden liegende Menschen triumphieren. Die zentral platzierte Frau mit geöffneten Augen schaut den Betrachter traurig an. Können Sie einen Wink geben, was sie uns Betrachtern aus der „Anderswelt“ verraten könnte?

Im Grunde illustriere ich auf denkbar einfachste, beinahe naive Weise eine Urangst vor Kontrollverlust. Die Tiere haben sich organisiert und den Menschen vom Thron gestürzt. Eine Revolution scheint stattzufinden. Gefangenenübergaben, Hinterhalte und Überfälle sind an der Tagesordnung, das hätte Karl May sicher gefallen. Die Natur schlägt zurück, die sicheren Räume existieren nicht mehr, der Mensch hat Konkurrenz auf selbiger Ebene, ist nicht mehr einzigartig. Das muss sein Weltbild gänzlich erschüttern, da wir doch gewohnt sind, als intelligente, göttliche Spezies immer zu gewinnen.

Im „Haufen“ haben Sie die Verhältnisse unserer Welt umgekehrt, die gemalte „andere“ Welt ist geradezu grotesk und skurril. Steckt dahinter eine humoristische Einstellung, die mit den Erwartungen der Betrachter Schabernack treibt?

Die gewohnten Szenarien werden verdreht. Der Mensch ist nicht mehr Jäger, sondern Gejagter. Die Bilder sind brav und hübsch bunt gemalt, sodass die Widerlichkeit, die ihnen womöglich innewohnt, nur sehr unterschwellig hervortritt. Natürlich ist auch immer etwas Humor dabei, sonst lässt sich so etwas ja gar nicht machen.